Email: Email schreiben
Homepage: christianmuenchinger.ch
Der Zürcher Saxophonist Christian Münchinger steht mit beiden Beinen fest in der Jazztradition. Lange und leidenschaftlich hat er sich mit dem Great American Songbook und seinen grossen Interpreten – nicht nur denjenigen aus der Saxophonabteilung, aber mit denen natürlich ganz besonders – auseinandergesetzt.
Der Zürcher Saxophonist Christian Münchinger steht mit beiden Beinen fest in der Jazztradition. Lange und leidenschaftlich hat er sich mit dem Great American Songbook und seinen grossen Interpreten – nicht nur denjenigen aus der Saxophonabteilung, aber mit denen natürlich ganz besonders – auseinandergesetzt. Gerade bei dieser Arbeit hat er aber auch erkannt, dass man nur eine wirklich eigenständige Stimme entwickeln kann, wenn man auch auf der Basis von eigenen Kompositionen musiziert. Seine Stücke sind deshalb nicht einfach nur Vehikel für die Improvisation, sondern durchaus eigenständige Gebilde in denen viele Details sehr liebevoll ausgearbeitet sind. "Balanced Action" ist seine erste Produktion mit ausschliesslich Eigenkompositionen, und dokumentiert somit einen wichtigen Schritt in Christian Münchingers Laufbahn.
Als Komponist sucht Christian Münchinger ganz spezifische Stimmungen, und er kennt auch Mittel und Wege, sich ihnen anzunähern und sie aufzuspüren. Ganz automatisch ergeben sich dabei auch Assoziationen, die ihren Niederschlag in der Musik finden. So ist zum Beispiel das Titelstück "Balanced Action" nicht nur einfach eine Reverenz an das Saxophonmodell der Firma Selmer aus den dreissiger und vierziger Jahren; es verweist mit einem Wortspiel auch auf die Bauart des Themas, dessen Teile von sieben bis zehn Takten unterschiedlich lang sind. Dabei entsteht der Eindruck, dass der rhythmische Schwerpunkt immer wieder verschoben wird – ohne dass die Sache zu kippen droht allerdings; sonst könnte man ja nicht von einer perfekt ausbalancierten Aktion sprechen.
Die Melodie von "Rites de Passagem" schaukelt mal stärker mal schwächer auf den Harmonieprogressionen und dem Siebnertakt, der stark von der brasilianischen Musik inspiriert ist. Als Musiker, der auf die Vierzig zugeht hat Christian Münchinger das Thema Übergänge in neue Lebensabschnitte quasi in die Intervallstruktur der Melodie einkomponiert.
Auch in dieser Beziehung hat eine vertiefte Auseinandersetzung mit grossen Vorbildern stattgefunden. Der Tenor- und Sopransaxophonist John Coltrane zog sich im Spätsommer 1964 für fünf Tage in ein unbenutztes Zimmer in seinem Haus im Dorf "Dix Hills" auf Long Island zurück auf der Suche nach Erholung und Inspiration. Ashley Kahn zitiert in seinem Buch "A Love Supreme" Coltranes Frau Alice, die seine Rückkehr in den Kreis der jungen Familie sehr eindrücklich beschrieben hat: "Es war als kehrte Moses vom Berg zurück, und es war diese Freude, dieser Friede, diese Ruhe in seinem Gesicht. " Kein Wunder, Coltrane hatte die Musik für sein epochales Album "A Love Supreme" empfangen, welches er im Dezember 1964 aufnehmen sollte. Und diesem kleinen Ort auf Long Island ist Christian Münchingers Stück gewidmet. Es ist nicht zuletzt eine persönliche Hommage an das Coltrane Quartett der sechziger Jahre.
Im Anschluss an dieses intensive Stück kann eigentlich nur eine nachdenkliche Ballade im Dreivierteltakt kommen, eine Ballade wie "Pensive", bei der das Thema zuerst solo auf dem Klavier vorgestellt wird. Als Inspiration diente hier ein Gedicht des englischen Poeten Alexander Pope aus dem 18. Jahrhundert.
Ein weiterer Kontrast steht dann mit der Funk-Nummer "Hiccup" an. Im Thema lässt sich der Saxophonist fast keine Pausen. Hätte er als Bläser nicht eine genaue Kontrolle über seine Atmung, könnte er davon fast den Schluckauf kriegen.
Die CD "Balanced Action" schliesst jedoch nicht im Party-Groove, sondern mit zwei komplexen Nummern mit einigem Tiefgang. "The Look At Two Ends" bringt im Chorus zwei unterschiedliche Endungen und verweist damit auf einen offenen Ausgang. Und der Titel "Echolot" bedarf in diesem Kontext wohl keiner weiteren Erläuterung. Asymmetrien in der Struktur des Themas, ein grosser dynamischer Bogen und die Zwischenspiele, die zwischen die Soli eingeschoben sind machen diese Nummer zu einem spannenden Trip in die Welt des Komponisten und Saxophonisten Christian Münchinger.
Christian Münchinger Quartet, Christoph Stiefel (p), Fabian Gisler (b), Pius Baschnagel (d)