Jazz-Kalender
28.04.24 23:34:24|Besucher online: 1576|Konzerte:89|gerade gesucht: Larry Carlton
Tuomi

Tuomi

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Homepage: kristiinatuomi.com

"Tuomi ist ein Trio. Darauf legt die gleichnamige Kristiina allergrößten Wert. Eines, das in keine Schublade will. Einen festen Platz hat es dagegen längst. Dank der hinreißenden Altstimme seiner deutsch-finnischen Frontfrau, der erfrischend pathosfreien Lyrik des Pianisten Carsten Daerr und des Bassfarbenkastens des unvergleichlichen Carlos Bica. Die Herkulesaufgabe, für den vielgelobten Vorgänger "Tightrope Walker" einen Nachfolger zu basteln, schultern die drei mir bravouröser Eleganz. "The E

Flagge englisch Tuomi

"Im folkloristisch weißen Kleid singt sie dunkel gefärbte Songs, umwoben von sensiblen Bassfiguren und behutsamen Tastenspielen. Tuomi zelebriert in der Moritzbastei eine neue Lust an der Innerlichkeit. Keine Romantik, die sich dem Schönklang hingibt, sondern schutzlos offen gelegte Seelenwanderungen, Selbstbefragungen, Nachdenklichkeiten. Eine Winterreise der anderen Art. Während es sich manche in den Nischen zwischen Pop und Jazz gemütlich machen, ringt die deutsch-finnische Sängerin um Genauigkeit in der Melancholie, gelingt ihr das Abschütteln des Beliebigen. Auf dem Weg von "Tightrope Walker" zu ihrem neuen Album "The Expense Of Spirit" nimmt sie das Publikum staunend gefangen mit eigenen Songs und der Schönheit Shakespearscher Sonette. Carsten Daerr am Piano, einer der Hoffnungsträger des neuen deutschen Jazz, hat die meisten dieser Verse vertont, mit Sinn für die Klarheit der Sprache, für melodische Prägnanz und harmonische Vielschichtigkeit. Gemeinsam mit dem aus Portugal stammenden Kontrabassisten Carlos Bica, der seit langem mit seiner Band "Azul" für Furore sorgt, schafft er Klangräume für Kristiina Tuomis Stimme, die wohl im Mittelpunkt steht, zugleich aber ständig im Spannungsfeld dieser sparsamen Instrumentierung/Inszenierung. Dabei überschreiten Daerr und Bica immer wieder die Grenzlinien zwischen Begeleitfunktion und Solospiel, mischt sich Improvisatorisches in die Arrangements, präsentiert sich das Gesamtkunstwerk "Tuomi" nicht als Liederabend mit Begleitung, sondern als Trio. Solche Art jazzmusikalischen Umgangs mit Singer-Songwriting unterscheidet sich von den vergleichsweise gefällig daherkommenden neuen skandinavischen Stimmen und ist eher in einer verborgenen Traditionslinie etwa der Zusammenarbeit von Karin Krog mit John Surman zu sehen. Und Tuomi wiederum erweist sich so weit entfernt nicht von der Sängerin Bobo, die sich, von der Popmusik unserer Tage ausgehend, in die Tiefen des deutschen Volkslieds zurückversetzt und nicht zufällig beim gleichen Plattenlabel, bei "Traumton", eine musikalische Heimat gefunden hat. "King Of Pain" von Sting steht bei Tuomi neben "Rid My Pain" von Shakespeare. Dabei entsteht kein Bruch, weil alles in eine eigene musikalische Sprache übersetzt und das Zerbrechliche zum Thema gemacht wird. Mit "Bridal Ballad", der Vertonung eines Gedichtes von Edgar Allan Poe, begibt sich die hellblonde Finnin in die Bereiche des düster Makabren. Ein Schuss unkonventionellen Humors bewahrt sie vor dem Absinken in die Gefilde einer modischen Dark Wave. Gänzlich ohne Ironie und eben deshalb berührend gelingt die Neuausleuchtung eines Liebesliedes von Rilke: "Doch alles, was uns anrührt, dich und mich, nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich. " Die Spaßgesellschaft ist anderswo. " Bert Noglik

Leipziger Volkszeitung 1. 12. 2007