Jazz-Kalender
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Parvaneh

Parvaneh(6/2015)

Thomas Rückert Trio

Thomas Rückert Trio

Thomas Rückert Trio

the trio is the centerpiece of my work
with matt an jochen I have (musical! ) partners who are able to realise aspects of my music which seem to be contradictory such as lyric and the "trashy" way of playing, agogism and tight groove, a sense of deepness and just having fun.

Rückert, Thomas
Thomas Rückert
Piano
Arends, Fabian
Fabian Arends
Schlagzeug
Askari, Reza
Reza Askari
Bass

Natürlich hat man das alles schon mal gehört – irgendwann, irgendwo, irgendwie. Natürlich ist es wieder ein Pianotrio, die traditionellste, am dichtesten frequentierte, aber auch am häufigsten pauschalierte Besetzungsform des Jazz. Die Jungs müssen sich ganz schön strecken, um ständig gegen all die Vorurteile anzuspielen. »Das gleichschenklige Dreieck«, »spannende Interaktion« und »gediegener Swing«: Sinnleere Phrasen wie diese schießen in der Tat ins Kraut, belegen aber auch eine gewisse Ratlosigkeit gegenüber einem zunehmend in sich selbst erstarrenden Phänomen.

Dass Thomas Rückert schon seit Beginn seiner Karriere leidenschaftlich gegen den mächtigen Strom anschwimmt, hat ihm eine Menge Anerkennung und eine außergewöhnliche Form von Aufmerksamkeit eingebracht. Der Pianist aus Köln sucht unaufhörlich nach Wegen abseits plattgetrampelter Pfade, nach ungespielten Tönen, rührt neue Klangfarben an, drängelt sich nicht affektiert in den Vordergrund, selbst auf die Gefahr hin, vielleicht überhört zu werden. Vom Talent und seinen handwerklichen Fähigkeiten her könnte der 45-Jährige eigentlich sofort durchstarten. Er jedoch setzt lieber Pausen, wenn die meisten zu klimpern beginnen, baut komplexe harmonische Gebäude anstatt Kartenhäuser, grübelt wo andere schwadronieren. Thomas Rückert bedient sich nicht aus dem Fundus der toten Musik, sondern sucht unter der Oberfläche nach Material, das lebt. In aller Ruhe widersetzt sich seine Philosophie des Pianotrios den Erwartungen nach schnell konsumierbarer Erregung. Solche Gelassenheit ist in langen Jahren gereift.

Ein stiller Rebell, der genau weiß was er will. Auch auf seiner neuen CD »Parvaneh«, dem persischen Wort für »Schmetterling«. Rückert ist damit eine konsequente Fortschreibung seiner persönlichen Traumwelt gelungen, die er im Vorgängeralbum »Meera« auf kunstvoll subtile Weise zu errichten begann. Die bereits zum Markenzeichen erhobene Langsamkeit des Querdenkers am Klavier sowie seiner Partner Reza Askari (Bass) und Fabian Arends (Drums) entwickelt diesmal in elf Stücken eine außergewöhnlichen Form der Dynamik, die sich mehr nach innen richtet. Wie ein mächtiger Fluss schafft sie Räume in der Seele, in der sich Poesie, Intensität und Freiheit voll entfalten können.

Das Trio achtet behutsam auf Strukturen und Nuancen, ohne alles bis ins Detail planen zu wollen. Die Musik soll sich entwickeln, von Takt zu Takt, in dunkle Bereiche des Klangs eintauchen und dessen verborgene Geheimnisse preisgeben. Dabei verzichtet Rückert ganz auf Anleihen aus der zeitgenössischen Klassik, sondern stellt ein Bündel eigener Werke (»Isaac«, »Sweet Death«, »Giulia«, »Morning Rise«) sowie Kompositionen von Ennio Morricone (»Jill's Theme«), Cole Porter (»Everything I Love«), Paul Motian (»Arabesque«) und Jakob Bro (»Swimmer«) vor. Für das in zwei Variationen präsentierte Titelthema zeichnet einmal mehr der wunderbare Reza Askari verantwortlich, ebenso wie für »The Emptiness At The Heart Of Your Hope«.

Thomas Rückert begann 1990 mit dem Studium an der Musikhochschule Köln bei Rainer Brüninghaus und John Taylor. 1999 reiste er erstmals nach New York zu seinem Bruder, dem Schlagzeuger Jochen Rückert, der dort bereits seit 1995 lebt. Den Aufenthalt in der Metropole des Jazz erlebte Thomas Rückert als inspirierend und bewegend. Neben der Arbeit mit Marc Johnson, Greg Hutchinson, Donny McCathlin, Greetje Kauffeld, Mark Murphy, Kevin Mahogany, Tony Lakatos, Randy Brecker, Adam Nussbaum, Ack van Royen, Jay Anderson oder John Goldsby war für ihn vor allem die Zusammenarbeit mit Lee Konitz wegweisend. Dessen Rat »Don‹t play what you know – Spiele nicht was du schon kennst« verinnerlichte der Pianist hörbar.

Reza Askari gilt als eines der vielversprechendsten deutschen Talente am Kontrabass. 1986 in Fulda geboren, beschäftigte sich Askari zunächst mit dem E-Bass, um dann zum Kontrabass zu wechseln. Zurzeit studiert er an der Folkwang Universität Essen bei Robert Landfermann für den Master Of Improvising Arts. Trotz seiner jungen Jahre spielte er bereits mit Größen wie Marc Ducret, Jiggs Wigham, Herb Geller, Benny Golson, Jeff Hamilton, Nicolas Simion, Florian Ross, Frederik Köster und Pablo Held.

Fabian Arends wird gerne als Shootingstar am Schlagzeug der an nachwachsenden Musikertalenten ja nicht gerade armen Jazzmetropole Köln bezeichnet. Der 25-Jährige profiliert sich aber nicht nur als hochsensibler Klanggestalter an seinen Perkussionsgerätschaften, sondern macht auch als Komponist, Arrangeur und Bandleader eine respektable Figur.

(doublemoon. de)

Rezensionen


»Dank Toningenieur Christian Heck wird der Zuhörer Zeuge, wie Thomas Rückert sich jeden Ton erobert, wie er den Ausdruck vor die Virtuosität setzt, wie der Bass tief brummt und das Schlagwerk ein halbes Orchester simuliert.« (stereoplay, August 2015)

»Rückert setzt auf eine Poesie der Klarheit, streut Stücke von Paul Motian und Jakob Bro ein, also von Meistern des transparenten Spiels.« (Stereo, September 2015)

»›Parvaneh‹, persisch für Schmetterling, ist ein Manifest der leisen Töne, feinen Collagen und langsamen Aufbauten.« (Jazzthing, September / Oktober 2015) 

»Der Mann kann einen Ton stehen und ausschwingen lassen, eine schöne Melodie zart und langsam spielen, ohne in Klang zu baden oder sie zu verkitschen... Rückert setzt auf eine Poesie der Klarheit, streut Stücke von Paul Motian und Jakob Bro ein, also von Meistern des transparenten Spiels...« (Stereo, Klm, 09 2015) 

»SANFT ABHEBEN Musik wie die Flugbahn eines Schmetterlings. Und damit der Flügel wirklich Flügel bekommt, gibt ein Schlagzeug der Bewegung einen Extraschub, und ein Kontrabass federt die oft spontanen Richtungswechsel, die Auf- und Ab- Wellen, die Überschläge elegant ab.« (Stereoplay, 08 2015, MI)